Finanzen gehören zu den schwierigsten Themen in Beziehungen. Ein Gespräch mit Paartherapeut und Buchautor Michael Mary über verschiedene Geldformen, finanzielle Verhandlungen mit dem Partner und die Frage, wie viel Selbstbestimmung es bei Finanzen in einer Partnerschaft braucht.
Herr Mary, was haben Sie gegen Romantik in der Liebe?
Gar nichts, ganz im Gegenteil: Ich würde mich selber durchaus auch als romantisch bezeichnen.
Trotzdem fordern Sie Paare auf, möglichst früh über Geld zu reden.
Das ist kein Widerspruch, denn Liebe und Geld gehören von Anfang an zusammen. Schon beim ersten Date geht es um die Frage: Wer bezahlt? Geben wir Trinkgeld? Und spätestens bei der ersten gemeinsamen Wohnung wird das Thema unausweichlich. Die Erfahrung zeigt: Je besser Paare über Geld reden können, desto besser ist ihre Beziehung. Tatsache ist aber: Das Thema «Geld» ist das letzte Tabu in der Liebe. Das Schweigen darüber macht es zu einem der häufigsten Konfliktthemen in Beziehungen.
Warum ist das Thema Geld so konfliktträchtig?
Vermeintlich haben Geld und Liebe nichts miteinander zu tun: Liebe ist persönlich und emotional, Geld ist unpersönlich und kalt. Wer dennoch über Geld spricht, hat Angst, damit die Harmonie und das gemeinsame Glück zu gefährden.
Wie spricht man denn in einer Beziehung «richtig» über Geld?
Indem wir zwischen verschiedenen Liebes- und Geldformen unterscheiden: Partnergeld, Freundesgeld und Liebesgeld. Wer diese Begriffe trennt, kann genau festlegen, welchem Zweck das Geld dienen soll. Und je nach Verwendung unterscheidet sich dann auch der Umgang damit.
Worum geht es beim Partnergeld?
Es geht um Partnerschaft, also um Verlässlichkeit und Vertragstreue. In diesem Bereich muss klar sein, wer welche Leistung zum Lebensunterhalt, zur gemeinsamen Wohnung oder zur Familie beiträgt – und wie diese Leistungen ausgeglichen werden. Für Verhandlungen über Partnergeld braucht es einen kühlen Kopf, deshalb nenne ich es auch «kühles Geld». Ich kann zum Beispiel mehr für die gemeinsame Wohnung bezahlen, dafür will ich aber woanders einen Ausgleich haben.
Wozu dient das Freundesgeld?
Beim Freundesgeld geht es um Sympathie und Unterstützung. Hier dient das Geld dem Glück und dem Wohlbefinden des anderen. Etwa, indem man dessen berufliche Weiterbildung oder dessen teures Hobby mitfinanziert. Einander Gutes tun, ist das Stichwort. Darüber kann man nicht verhandeln. Es geht nicht um Aufrechnen und Zurückzahlen, sondern um Geben und Nehmen. Es geht um Abmachungen und Teilhabe. Zentral ist die Frage: Was kann ich für dich tun, um dich glücklich zu machen? Das Geld in diesem Bereich ist «warmes Geld».
Und welche Gegenleistung gibt es für das Liebesgeld?
Keine. Hier ist Geld ein Ausdruck der Liebe, ich will dem Partner oder der Partnerin zeigen, welche Bedeutung er oder sie für mich hat. Dieses Geld ist «heisses Geld». Liebesgeld verdampft. Man schenkt ohne jegliche Bedingungen.
Was ist der Vorteil dieser Unterscheidung?
Sie trägt zur Klärung bei und vermeidet Missverständnisse. Nehmen wir an, die Partnerin will sich als Ergotherapeutin selbständig machen und der Partner, der kürzlich geerbt hat, sagt: «Okay, ich gebe dir das Startkapital.» Dann gilt es zu klären, wie das gemeint ist. Als Partnergeld? Erwartet er einen Leistungsausgleich? Wenn es Freundesgeld ist, wie kann sie ihm auf andere Weise Gutes tun? Oder ist es geschenktes Liebesgeld? So kommen unterschiedliche Erwartungen auf den Tisch und werden Gegenstand der Kommunikation.
Wie viel Selbstbestimmung braucht es in Geldfragen? Empfehlen Sie Paaren getrennte Konten, um Konflikte zu vermeiden?
Das kann helfen. Aber sind die Einkommensunterschiede gross oder die Ansprüche sehr unterschiedlich, gibt es trotzdem Klärungsbedarf. Einer will auf die Malediven, der andere kann sich «nur» Strandurlaub auf Mallorca leisten – was also tun? Um zu vermeiden, dass Geld eine zerstörerische Rolle in der Beziehung einnimmt, sollten sich die Partner um einen ständigen Abgleich bemühen: das heisst, Lohnunterschiede am besten offen ansprechen, um mit der Differenz so umzugehen, dass es für beide gut ist.
Es gibt sehr unterschiedliche Finanztypen, vom Sparer über den Zocker bis zum Verschwender. Was tun, wenn sich diese Einstellungen bei einem Paar diametral unterscheiden?
Das kommt sehr oft vor, ist aber nicht grundsätzlich ein Problem. Man darf nur nicht wollen, dass der andere gleich wird. Wenn man die gemeinsame Wohnung bezieht und der eine einen teuren Einrichtungsstil hat und der andere es lieber spartanisch und praktisch mag, sollte man nicht darüber streiten, wer Recht hat. Besser fragt man sich: Wie gehen wir am besten mit diesen Unterschieden um?
Soll der Sparer die Finanzverwaltung übernehmen, damit zum Beispiel fürs Alter vorgesorgt wird?
Dann wird der Verschwender sagen: Sparen ist ja schön und gut, aber das Leben zu geniessen, ist auch wichtig. Man muss die Unterschiede anerkennen und sich einigen, wie man damit umgeht. Dafür gibt es keine Patentlösung, das ist von Paar zu Paar verschieden.
Ist es nicht klüger, sich zu trennen, wenn es in Geldfragen nicht geigt?
Nein. Aber besser ist es dann, keine finanziellen Verpflichtungen miteinander einzugehen. Bei mir war einmal ein Paar, bei dem die Frau kürzlich geerbt hatte. Sie wollte ein Haus kaufen und bot ihrem Partner an, sich daran zu beteiligen. Er wollte sein Geld aber lieber behalten und ihr Miete bezahlen. Ein gutes Beispiel, wie sich Konflikte vermeiden lassen.
Die Familiengründung ist oft der einschneidendste Moment für eine Beziehung – auch aus finanzieller Sicht?
Ja, in der Regel entsteht damit ein Ungleichgewicht. Ein Elternteil steckt beruflich zurück, um sich um die Kinder zu kümmern. Das bedeutet nicht nur eine Einkommens- und eine Karriereeinbusse, sondern auch eine Reduktion der Altersvorsorge. Wenn es um Geld geht, sollte man eine Beziehung grundsätzlich vom Ende her denken. Spätestens, wenn Kinder da sind. Sich also fragen: Was passiert, wenn wir uns trennen?
Die Jungfamilie soll im Moment des grössten Glücks vom Schlimmsten ausgehen?
Ja, gerade dann ist die Toleranz dafür am grössten. Das tun wir ja auch sonst im Leben. Bei jeder Versicherung gehen wir vom Worst Case aus, etwa von Krankheit, Unfall oder Tod. Es geht darum, die Leistung in einer Partnerschaft auszugleichen. Es gilt zu akzeptieren, dass nichtmaterielle Beiträge wie Hausarbeit oder Fürsorgearbeit für das Gelingen einer Partnerschaft die gleiche Bedeutung haben wie Erwerbsarbeit. Da muss man hart verhandeln und von Beginn an festlegen, welchen Ausgleich man dafür haben will. Am besten beglaubigt man dies auch notariell.
Und wenn der Partner sagt: «Aber das ist doch nicht nötig, wir lieben uns»?
Darauf könnte man antworten: «Ja, klar liebe ich dich. Und wenn du mich genauso liebst, dann hast du auch nichts dagegen, einen Vertrag mit mir zu machen.» Leider tun sich besonders Frauen schwer damit. Sie halten finanzielle Regelungen oft für unromantisch. Diese Zurückhaltung führt dazu, dass sie oft grosse Nachteile in Kauf nehmen. In Geldangelegenheiten aus Liebe blind zu sein, kann sehr teuer werden.
Wie können Frauen üben, das Thema Geld anzusprechen?
Da gibt es nicht viel zu üben. Sie müssen es wollen, sie müssen es für wichtig halten und sie dürfen sich nicht einreden oder einreden lassen, dass Geld und Liebe nichts miteinander zu tun haben.
Diskutieren jüngere Generationen bzw. Paare pragmatischer über Geld?
Schwer zu sagen. Aber ich habe schon den Eindruck, dass es immer selbstverständlicher wird, die materiellen Bereiche getrennt zu halten. Jeder verdient sein Geld, jeder hat sein eigenes Konto und nur die gemeinsamen Kosten werden geregelt. Spannend wird es, wenn Kinder da sind. Dann zeigt sich, ob die Paare es schaffen, nüchterner an das Thema Geld heranzugehen und fairere Regelungen auszuhandeln, als es die Generation ihrer Väter und ihrer Mütter oft getan hat.
Über den Autor
Michael Mary
Michael Mary ist Paarberater und Autor zahlreicher Sachbücher, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen hatte er eigene Sendungen als Beziehungsberater. Zu seinen Spezialgebieten gehört auch das Thema Geld in Paarbeziehungen, über das er den Bestseller «Die Liebe und das liebe Geld – Vom letzten Tabu in Paarbeziehungen» (Piper Verlag, 2018) geschrieben hat. Michael Mary lebt und arbeitet in Hamburg.